Kompetenzentwicklung | Kontextualisierung | kumulativer Kompetenzaufbau | Lerngalaxie | Wissen
- 24. März 2022, 10:00
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Lernen 360 Grad
Fit 4 BiVo
«Zu wissen, was man weiss, und zu wissen, was man tut: Das ist Wissen.» Diese Begriffsdarstellung, seinerzeit von Konfuzius geprägt, präzisieren die Ökonomen Probst et al.(2013):Sie verstehen Wissen als die Gesamtheit von Kenntnissen und Fähigkeiten, welche eine Person zur Lösung von Problemen einsetzt. Und genau hier setzt die Reform «Kaufleute 2023» an: Der Lebensweltbezug von betrieblichen, beruflichen oder auch alltäglichen Sachverhalten wird mittels handlungskompetenzorientierter Lernziele in den Lernort Schule hineingetragen. Dies ermöglicht es den Lernenden, praxisorientiertes Grundlagen- und Handlungswissen mit entsprechenden Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben und zu verinnerlichen.
Wissen basiert auf (personenungebundenen) Daten, welche mit Bedeutungen verknüpft, zu Informationen weiterentwickelt, mit Erfahrungen angereichert und in einen bestimmten Kontext eingebunden werden. Anderson & Krathwohl (2001) unterscheiden fünf Formen von Wissen:
Faktenwissen umfasst – als Basis des Handlungswissens – abrufbares Sach- bzw. deklaratives Wissen, z. B. mit Bezug zu Begrifflichkeiten, Gegenständen, Sachverhalten (Fakten) oder Situationen.
Prozedurales Wissen impliziert sowohl relativ einfache Verhaltensweisen und Routinehandlungen wie auch komplexe(re) Handlungsmuster, bestehend aus aufeinander aufbauenden Einzelhandlungen.
Konzeptuelles Wissen unterstützt den kumulativen Aufbau von (zumeist Fach-)Wissen und dient der Querverbindung einzelner, bereits bekannter Wissensgebiete ebenso wie der Vernetzung von altbekanntem mit neuem Wissen.
Metakognitives Wissen geht über das einfache prozedurale Wissen hinaus und dient der Anwendung und (Weiter-)Entwicklung individueller Informationsverarbeitungs-, Lern- und Problemlösestrategien.
Als «dynamische, zukunftsgestaltende Ressource» dient Wissen somit der Lösung realer Problemsituationen im beruflichen und privaten Alltag und als Basis für die individuelle (Weiter-)Entwicklung von Kompetenzen und Qualifikationen. Die «Reform 2023» der kaufmännischen Lehre bezieht die genannten Wissensformen mit ein und lässt die Ausbildung in Schule und Betrieb mit Fokus auf die spätere Berufstätigkeit näher zusammenrücken.
Die SKV-Lerngalaxie nimmt dieses veränderte Lernkonzept für die KV-Lehre auf und setzt dabei auf Innovation und Praxistransfer: Im schulischen Umfeld soll zukünftig agiert, experimentiert, kooperiert und auch gescheitert werden; es wird überdacht, bewertet, diskutiert und optimiert.
Denn Wissen sinnvoll anzuwenden gilt gemäss Prof. Klaus North als bedeutsame Vorstufe für richtiges Handeln und den Erwerb unabdingbarer Kompetenzen, um sich auf dem (inter-)nationalen Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu positionieren.

Der weltweite, nahezu uneingeschränkte Zugang zu Wissen erfordert einen sorgsamen, verantwortungsvollen, kritisch-reflektierenden Umgang damit. (Digital) Verfügbare Daten, Fakten und Informationen müssen angesichts ihrer Fülle und Vielfalt sinnvoll selektiert, gefiltert und (weiter-)verarbeitet werden. Auch hier bietet die SKV-Lerngalaxie Hand, indem nicht nur die genannten Wissensformen abgebildet, sondern gleichzeitig auch verschiedene Lerntypen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen berücksichtigt und abgeholt werden. Angereichert mit Kreativität und Spontaneität, Motivation und Eigeninitiative wird so aus reinem Wissen Erfahrung und aus Erfahrung Kompetenz, denn: «Das wahre Vergnügen ist nicht, etwas zu wissen, sondern es herauszufinden» (Isaac Asimov).
3 Fragen an…
Daniel Degen, Studiengangsleiter, Dozent und Doktorand im Bereich Berufsbildung sowie Koordinator der Forschungs- & Entwicklungsgruppe im Zentrum Berufsbildung an der PH Luzern:
1. Wie kann Wissen im Rahmen eines handlungskompetenzorientierten Bildungsplans am Lernort Schule optimal vermittelt werden?
Wissen ist ein unerlässlicher Bestandteil im Kompetenzentwicklungsprozess. Ziel sollte meines Erachtens sein, dass die Lernenden anhand von authentischen und praxisrelevanten Situationen oder Problemstellungen Wissen direkt mit dem Handeln verbinden und Wissen so als wichtiges, wenn auch dynamisches Element für eine professionelle Handlungsfähigkeit zu verstehen lernen. Wissen würde so nicht losgelöst von einer berufs- oder lebensweltlichen Story «vermittelt», sondern vielmehr aktiv von den Lernenden selbst durch Eigenrecherche, Gruppenaustausch oder andere Hilfsmittel genutzt und aufgebaut, damit sie der Problemlösung Schritt für Schritt näherkommen.
2. Wie gelingt kumulativer Kompetenzaufbau unter Berücksichtigung des Wissens?
Im Prozess des kumulativen Kompetenzaufbaus spielen das individuelle Vorwissen und die gesammelten Erfahrungen der Lernenden eine wichtige Rolle. Die Lehrpersonen können diesen Prozess unterstützen, indem sie sowohl Vorwissen als auch Erfahrungen der Lernenden regelmässig abholen, dekontextualisieren, den Lernenden passende Lernangebote für den Aufbau von neuem Wissen und neuen Strategien anbieten, begleitete Übungsmöglichkeiten ermöglichen und die Lernenden damit auf die Rekontextualisierung im betrieblichen Setting vorbereiten. Eine Dokumentation und Reflexion der Erfahrungen in Verbindung mit dem neu Gelernten kann diesen Prozess zusätzlich begünstigen.
3. Grundlagenwissen und Digitalisierung – Chance oder Risiko?
Unsere Lebens- und Arbeitswelt ist durch eine hohe Dynamik, Komplexität und Vernetzung geprägt. Digitale Medien können helfen, die Vernetzung von unterschiedlichen Wissensbausteinen mit individuellen Erfahrungen abzubilden und die Komplexität zu minimieren. Zudem kann die Aktualität des Grundlagenwissens einfacher sichergestellt werden. Selbstverständlich besteht aber auch die Gefahr der Verzettelung, weshalb eine formative Begleitung durch die Lehrperson unabdingbar ist. Wichtig scheint mir, zu verstehen, dass die (kritische) Nutzung von digitalen Medien in unserer dynamischen Welt nicht mehr nur Hilfsmittel für das Lehren und Lernen darstellt, sondern zu einem zentralen und durchdringenden Lerninhalt geworden ist.