Sollte ich jemals gedacht haben, dass die Lernenden faul seien, dann wurde ich entweder eines Besseren belehrt (sie arbeiten stundenlang, oftmals bis spät in die Nacht, machen zahlreiche Übungen, reflektieren ausführlich etc.) oder erfuhr die Hintergründe (sie hatten 5 Prüfungen in einer Woche, weil endlich wieder Präsenzunterricht war). Das konnte ich detailliert sehen, weil sie in OneNote ihre Dateien abgaben, jeweils eine Reflexion dazu schrieben – und das bis zu 100-mal in einem Semester! Darum halte ich es in der Zwischenzeit auch viel besser aus, wenn jemand eine «grosse Pause» macht und während mehrerer Wochen nichts oder nur wenig (Sichtbares) abliefert. Das ist notwendig, wenn ich die Verantwortung tatsächlich den Lernenden übergeben und damit selbstorganisiertes Lernen verankern will. Da ich mich der «wohlwollenden Präsenz» (vgl. Kasten) als Grundhaltung verschrieben habe, gelingt mir die «Balance zwischen Loslassen und Halten» (Lauper & De Boni, S. 177).
Ja, der zeitliche Aufwand für das Sichten aller Arbeiten ist hoch – auch wenn ich schnell bin. Dennoch würde ich dies nicht ändern wollen. Denn jetzt bin ich im ständigen Dialog mit den Lernenden, gebe Feedback zu ihren aktuellen Arbeiten, die sie nach eigenem Zeit- und Arbeitsplan organisieren und vornehmen. Und gemeinsam schaffen wir damit auch eine Basis fürs Lerncoaching – Gespräche, die ich wöchentlich mit 3–5 Lernenden führe und sie so ganz gezielt unterstützen, motivieren, loben kann. Das war bis anhin so nicht möglich.