Unterrichten in Zeiten von BYOD und (BG) SOL

Das Lehren und Lernen ist im Umbruch. BYOD (Bring Your Own Device), SOL (Selbstorganisiertes Lernen) und BG SOL (Begleitetes selbstorganisiertes Lernen) haben Einzug gehalten. Die Lernenden haben sich vom Papier verabschiedet und arbeiten nur noch auf ihren Tablets, der traditionelle Klassenverband beginnt sich aufzulösen, die Lernenden organisieren sich selber – mal mit mehr, mal mit weniger Begleitung. Die Zeit des auf die Lehrperson zentrierten Unterrichts, als die ganze Klasse in gemeinsamem Tempo in ein Thema eingeführt wurde, scheint abgelaufen. Immer mehr Schulen auf der Sekundarstufe II operieren mit entsprechenden Pilotklassen, und schon bald kommen die Lehrplan-21-Jahrgänge, die aus der Volksschule nichts anderes mehr kennen.

  • 20. März 2020, 10:00
  • Lernen 360 Grad

Diese neuen Unterrichtsformen bedeuten für mich als Deutsch-Lehrerin eine wichtige Umstellung: Statt das Material für meine Inputs vorzubereiten und meine Lektionen zeitlich durchzuplanen, stelle ich die Inhalte für die Klasse elektronisch bereit. Sowohl an meiner kaufmännischen Berufsfachschule und als auch an der Berufsmittelschule arbeiten zum Beispiel die Lernenden mit OneNote und Teams von Microsoft. Dort stelle ich kapitelweise das Buch als PDF mit Lösungen und Zusatzmaterial zusammen, sodass alle jederzeit und möglichst selbstständig darauf zugreifen können (Anmerkung des Verlags: vgl. dazu unser Hinweis zum Urheberrecht).

Noch bin ich mit meiner Pilotklasse am Ausprobieren, nicht immer klappt alles genau so wie erhofft. Doch folgende Vorteile der Arbeit mit BYOD-Klassen zeichnen sich bereits deutlich ab:

  1. Meine Klassen haben immer alles dabei! «Fokus Sprache», dessen Co-Autorin ich bin, gibt es im Bundle als PDF, alle haben immer Zugriff darauf. Und ehrlich gesagt: Die lästigen Diskussionen, weshalb wer sein Buch gerade heute zu Hause vergessen hat, fehlen mir wirklich nicht. 
  2. Unterricht in BYOD-Klassen bedeutet den Verzicht auf Tausende von Kopien! Alles Zusatzmaterial kann ich der Klasse elektronisch zur Verfügung stellen, ich bin also nicht mehr das Archiv meiner Lernenden, das wochenlang noch verpasste Blätter für jeden Einzelnen mit sich herumschleppt.
  3. Neben den rein praktischen Vorteilen gibt es auch einen didaktischen Nutzen: Ich kann die PDF der einzelnen Grammatik-Kapitel für die Klasse aufbereiten, Lösungen anhängen und weitere Links einfügen. Damit lege ich einen grossen Teil der Verantwortung für ihre Arbeit in die Hände meiner Lernenden, denn sie verfügen über das gesamte Material, können also zum Beispiel auch weiterarbeiten, wenn sie den Unterricht krankheitshalber einmal versäumen.
  4. In das PDFs von «Fokus Sprache» kann geschrieben werden. eFokus, das interaktive Lernprogramm zu Grammatik und Rechtschreibung, ermöglicht individuelles Üben – unabhängig von Ort und Zeit; zudem zeigt es den Lernerfolg an. Zahlreiche Videoclips veranschaulichen die Texte und Themen.
  5. Mit «Fokus Sprache» ist es in BYOD-Klassen ein Leichtes, Unterricht und Lerntempo zu individualisieren. Kräftezehrende Frontalunterrichtssequenzen, in denen ich versuche, 24 Zuhörenden, die längst nicht alle gleich aufnahmefähig sind, ein neues Grammatik-Kapitel zu erklären, lassen sich so vermeiden. Die Frustration der stärkeren Lernenden, die sich früher schnell gelangweilt haben, fällt weg. Als Lehrerin entwickle ich so eine neue Rolle: Ich kann individuell dort beraten, wo jemand Mühe hat und Hilfe braucht. 

Eine Frage bleibt wohl: Wie kann man im SOL garantieren, dass alle wirklich arbeiten? Aber erstens ist der Effort der Einzelnen auch im traditionellen Unterricht nicht immer gleich gross, und zweitens besteht in BYOD-Klassen die Chance, dass Lernende, die gerade nicht an ihrer Arbeit sind, wenigstens nicht alle Banknachbarn ablenken. Entscheidend bleibt aber die Verbindlichkeit: Die Klasse muss in ihrem Lernen eng begleitet werden, und innerhalb der selbstgesteuerten Lernblöcke muss es möglich sein, dass die Lernfortschritte dokumentiert sind und auch für die Lernenden erkennbar werden.

Wichtig sind aus meiner Sicht folgende drei Aspekte: Die elektronische Form des Lehrmittels muss so gestaltet sein, dass es sich einbinden lässt und dass mit grossen Teilen auch ohne Internetverbindung gearbeitet werden kann. Ferner ist klar, dass sich nicht alle Themen gleich gut eignen, um von den Lernenden in Eigenregie erarbeitet zu werden. Deshalb ist gerade das Zusammenspiel von SOL-Zeit und analogen Unterrichtselementen in der Klasse eine gute Möglichkeit. Und es ist – um die Vorteile zu nutzen, die die Lernforschung der Handschrift zuschreibt – ideal, wenn die Lernenden mit einem Gerät arbeiten, auf dem sie mit einem Stift schreiben können, statt bloss zu tippen.

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Hinweis zum Urheberrecht:

Ganze Kapitel oder Bücher dürfen elektronisch an die eigene Klasse verteilt werden, sofern die Schülerinnen und Schüler diese Inhalte auch selbst erworben haben. Das gilt beispielsweise für das Verteilen von PDFs über OneNote, Microsoft Teams oder die Lernplattform – niemals aber über öffentliche Websites. Bitte geben Sie ausserdem die Quelle an.

Lösungen und Zusatzmaterialien dürfen von der Lehrperson ebenfalls verteilt werden; diese müssen die Lernenden nicht selber erwerben.

Falls Sie unsicher sind oder Ihre Lernenden die Bücher nicht selber erworben haben, Sie aber dennoch Inhalte verwenden möchten, nehmen Sie bitte Kontakt zum entsprechenden Verlag auf. Gemeinsam findet man immer eine Lösung.

Sara Janesch

Sara Janesch, lic. phil. l, unterrichtet seit 1996 an der KV Zürich Business School Deutsch, Geschichte und Staatslehre und war bis 2020 Fachvorsteherin. Sie ist Mitglied in der BM-Fachgruppe für die Abschlussprüfung und in der Zentralprüfungskommission Deutsch fürs E-/B-Profil.