Auftrittskompetenzen | Lerngalaxie | Lerntyp | Lernvideo | Multimedialität | Persönlichkeitskompetenzen | qualitatives Lernen | Storytelling
- 29. Oktober 2021, 10:00
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Lernen 360 Grad
Fit 4 BiVo
Aus pädagogischer Sicht sind die entscheidenden Merkmale dieser Art des Lernens die Strukturierung von Informationen, die Anreicherung von Lerneinheiten und -inhalten sowie die Multimedialität. Letzteres umfasst den gleichzeitigen Einsatz verschiedener Medien und die Darstellung von Inhalten in Audio-, Video-, Bild-, Präsentations-, Simulationsformaten u. v. m. «Warum sollte also nicht die Lehre mit einer Betrachtung der wirklichen Dinge beginnen statt mit ihrer Beschreibung durch Worte?», fragte sich seinerzeit Comenius (1592-1670) und läutete mit einem bebilderten lateinischen Schulbuch, dem «Orbis sensualium pictus» (Die Sichtbare Welt, 1658), quasi eine neue Ära ein. Könnte Comenius allenfalls gar als erster Multimedia-Theoretiker bezeichnet werden? Zweifelsohne hat sich die Welt seither um ein Vielfaches weitergedreht und didaktisch ausgefeiltere, IT-basierte Lernsysteme hervorgebracht. Education + Entertainment = Edutainment. Auflockernd, unterhaltsam und anregend – so sollen multimediale Inhalte daherkommen, um das lebenslange Lernen individuell, handlungskompetenzorientiert und spielerisch zu gestalten und ganz einfach «Lust auf mehr» zu machen.
Multimedialer Content in Sprache und Bild
Das Modell der vier verschiedenen Lerntypen ist in der Lernwelt kein unbekanntes.
Obwohl diese Theorie bislang noch nicht restlos bestätigt ist, gilt als gesichert, dass bei einer Kombination verschiedener Wahrnehmungskanäle grössere Lernerfolge erzielt werden; dies wiederum wirkt sich motivierend auf das individuelle Lernverhalten aus. Allem voran empfiehlt sich ein multimedialer Content bestehend aus Sprache und Bild – mit einer Vielzahl von Möglichkeiten, Techniken und Variationen: von Infografiken, Tutorials und Erklärvideos über Screencasts, digitale Lernspiele und Podcasts bis hin zu interaktiven Tests. Mit dem Einsatz solch wirkungsvoller Medien gehen gleichzeitig ein bewusster Umgang und eine Sensibilisierung für die Materie einher.
Was macht eigentlich ein gutes Lernvideo aus?
Wir haben nachgefragt – bei Chris, dem Multimediadesigner vom Verlag SKV:
Ein Lernvideo überzeugt dann, wenn es
- echte Fakten beinhaltet. Da im Web leider auch «Fake News» als Informationen abgespeichert werden, ist es wichtig, die Inhalte bereits vor der Produktion gemeinsam mit professionellen Fachredaktionen zu prüfen.
- einen Verstehensanker auswirft. Ein gutes Video schlägt eine Brücke zu bereits bekanntem Wissen. Zu Beginn des Videos sollte das nötige Vorwissen in Erinnerung gerufen werden. So gelingt der Transfer von bereits bekannten Sachverhalten zu neuen Themengebieten.
- anschaulich und strukturiert ist. «Reduce to the max» lautet hier die Devise, da gerade bei diesem Medium der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Eine übersichtliche Struktur mit einer Einleitung und einer abschliessenden Zusammenfassung vereinfacht komplexe Zusammenhänge. Abwechslung und Spannung sind gleichermassen relevant, um die Aufmerksamkeit der Lernenden aufrechtzuerhalten. Eine richtige Balance ist also wichtig.
- in verständlicher Sprache kommuniziert. Zwar wirken Fachbegriffe oft besonders schlau und eloquent. Doch es hilft Lernenden nicht weiter, wenn sie deren Bedeutung nicht kennen. Komplizierte Sachverhalte müssen folglich in einfachen und kurzen Sätzen aufgeschlüsselt werden.
Mit Blick auf die Reform «Kaufleute 2023» entwickeln wir für die zukünftigen Lehr- und Lernwelten unter anderem vielfältige Erklär- und Lernvideos, die eben genau diese Kriterien berücksichtigen und damit nachhaltige Lernerfolge garantieren. Sie möchten vertieft Einblick erhalten? Kim verrät Ihnen im Inside einige Details aus der SKV-Lerngalaxie.
Inside
Kim bespielt die multimediale SKV-Lerngalaxie
Kim bewegt sich in einer kompetenzorientierten homogenen Lernmedienwelt, bestehend aus verschiedenartigen labs: modu:lab, newz:lab, case:lab, teach:lab und last, but not least inno:lab. Schauen Sie selbst:
Sie erkennen: Die gleichzeitige Ansprache von mehreren Wahrnehmungskanälen ist effektiv. Darüber hinaus fördern Erklärvideos das selbstbestimmte Lernen. Allein die Möglichkeit, Passagen mehrfach anzuschauen oder auch zu unterbrechen, um sich z. B. Notizen zu machen, ist eine Art der Selbststeuerung, welche einen positiven Effekt auf das Lernen ausübt.
Ein weiterer Vorteil ist die universelle Einsetzbarkeit von Videos, je nach Device und Standort. Ob im Unterricht, unterwegs oder zu Hause, zur Vorbereitung oder auch zur Wiederholung; ob für ein wirtschafts- oder gesellschaftspolitisches Lernziel, eine Fremdsprache oder eine berufliche Arbeitssituation: Videos beinhalten häufig Beispiele aus dem Alltag der Lernenden. Auch kann so das Lerntempo individuell angepasst und selbstständig reguliert werden. Die zu erlernenden Handlungskompetenzen gewinnen Sinnhaftigkeit, sie motivieren und vermitteln den Lernenden Selbstsicherheit.
Und seien wir ehrlich: Personen in Bewegung und angenehm klingende Stimmen lösen in der Regel bei jeder und jedem von uns Sympathie aus. Emotional eingebunden zu werden, wirkt sich positiv auf den Lernprozess und förderlich auf den «inneren Schweinehund» aus.
3 Fragen an die Initianten des IFBB-Projekts «Qualitatives Lernen»
Christian Roduner ist Leiter der Fachschaft Wirtschaft und Recht. Mirjam Sidler ist Lehrerin für Deutsch, Geschichte und Politik. Beide arbeiten an der Berufsbildungsschule Winterthur.
1. Ihre Lernenden erhalten Rollen in einem «Mitmach-Krimi», einem fiktiven Indizienprozess rund um die Winterthurer Familie Büeler, der in einer Gerichtsverhandlung münden wird. Welchen Mehrwert erhoffen Sie sich für Ihre Lernenden durch das Eintauchen in diese Story?
Mehr selbstgesteuertes und spielerisches Lernen, kreative Lösungsansätze und Argumentationen, Stärkung der Persönlichkeitskompetenzen in der Arbeit als Team und in der Bewältigung der implementierten Herausforderung vom Umgang mit ethischen Dilemmata bis zur Auftrittskompetenz im Gerichtsprozess. Indem wir den Spielraum der juristischen Arbeitsweise und Argumentation ausloten und diesen mit Kompetenzen und Erkenntnissen aus allen Fächern füllen, wollen wir zeigen, dass Lernen auch ohne Notendruck geht und Leistungen auch ohne Noten erbracht und ausgewiesen werden können. Die Lernenden dokumentieren ihren Arbeits- und Lernprozess in einem Lernportfolio. Bei Bedarf können in den einzelnen Fächern dennoch Noten für abgeschlossene Teilleistungen erhoben werden. Wenn wir weitere schulische Leistungen darin integrieren, kann das Lernportfolio auch als Bewerbungsportfolio genutzt werden.
2. Was hat Sie motiviert, dieses Projekt ins Leben zu rufen?
Uns und auch den Lernenden ist aufgefallen, dass sich der Aufwand für viele Projekte verringern und der Nutzen steigern liesse, wenn man diese inhaltlich und organisatorisch zentralisieren würde. Wir sahen auch, dass viele Ideen im Rahmen des interdisziplinären Lernens bereits vorhanden waren. Diese Ressourcen wollten wir in einer qualitativ hochwertigen Projektarbeit vereinen.
3. Wie schaffen Sie im regulären Unterrichtsbetrieb Zeit und Raum für die Fallbearbeitung? Oft bleibt neben der Lehrplanerfüllung nur wenig Zeit für anderes.
Die Idee ist, die Übungsaufgaben und Projektarbeiten der Einzelfächer in unserem interdisziplinären Projekt zu integrieren und dort in die Anwendung zu führen. Ganze Einzelfachprojekte werden damit auf Teilprojekte reduziert, womit wir den Aufwand in den Fächern reduzieren, dies v. a. bei der Projektadministration. Dadurch wird Zeit frei, Lehrplaninhalte voll zu operationalisieren, die Lernenden also möglichst viele Untersuchungen selber machen zu lassen, sie so z. B. eine chemische Analyse von Anfang bis Ende selber ausführen oder eine Zeugenbefragung auf Französisch durchführen zu lassen. Der Aufwand kann aber wie im Einzelfachunterricht je nach Stoffdruck auch reduziert werden. So können wir die erwähnte Befragung z. B. durch das Hören eines Audiofiles ersetzen und das Chemieexperiment auf die Interpretation vorgegebener Messwerte eingrenzen. Damit steuert jedes Fach kleine «Häppchen» als Indizien zur Falllösung bei. Umgekehrt verleiht der Fall den Fachinhalten Praxisrelevanz und Spannung, reduziert die Anzahl fachspezifischer Projekte und die Lernenden erkennen, wie die Fachdisziplinen miteinander verwoben sind.
Weil wir ihn als Indizienfall konstruieren, wo auch einmal ein Indiz fehlen oder missverstanden werden darf, bewahren wir uns gleichzeitig viele Freiheitsgrade. Damit erhöhen wir die Fehlerresilienz sowohl aufseiten der Lernenden als auch der Lehrenden; aber auch die Flexibilität, wenn einmal ein, zwei Fachbeiträge ausfallen. Wir bereiten die Fachbeiträge sogar so vor, dass sie auch von anderen
Fachlehrpersonen angewandt werden können. Dadurch gewährleisten wir der Spielanlage wie auch den einzelnen Fächern maximale Flexibilität.
Unsere Hoffnung ist, dass wir hiermit Interesse für viele weitere Projekte dieser Art wecken und dass weitere Lehrpersonenteams die vorhandene Struktur nutzen und fächerübergreifend zusammenarbeiten wollen.
Tipp
Sie möchten Ihren Unterricht durch Gamification abwechslungsreicher gestalten? Mit der App «Actionbound» lässt sich relativ einfach und schnell eine digitale Schnitzeljagd mit inhaltlichen Fragen zum aktuellen Lernstoff Ihrer Lernenden organisieren, so z. B. zum Thema Bewerbungen. Flechten Sie dabei auch lehrreiche geografische Stationen zur Auflockerung ein und Ihre Lernenden werden begeistert sein.
Storytelling
Ob im Kino, in Podcasts oder in der Literatur: Menschen lieben gute Geschichten. Mit gutem Storytelling kann aber auch Wissen vermittelt werden. Eine lebendig erzählte Geschichte bleibt besser im Gedächtnis hängen als eine trockene Darlegung von Fakten. Indem wir komplexe Sachverhalte veranschaulichen, Vergleiche und Metaphern verwenden, wecken wir Emotionen. Diese wiederum aktivieren das Kopfkino – und da unser Gehirn Bilder besser verarbeitet als Text, fällt uns das Erinnern leichter.
In der Unterrichtspraxis kann Storytelling also vielfältig eingesetzt werden. Sachverhalte lassen sich anschaulich in Form von Erklärvideos oder einer Fotostory vermitteln. Oder die Lernenden werden selbst zu Protagonisten – indem sie eigene Storys kreieren oder komplexe Abläufe Schritt für Schritt eigenständig meistern.
Vorschau
Nun heisst es «Achtung, fertig, Content!». Denn die Kreativ- und Schreibarbeiten von multimedialen Inhalten für die neuen KV-Lernwelten haben wir unlängst aufgenommen. Gerne geben wir Ihnen Einblick in unser emsiges Tun und Wirken und in unsere damit verbundenen Zielsetzungen. Wir freuen uns, wenn Sie uns dabei begleiten!