Im Gespräch

Moderne Führungstechniken sind in der gegenwärtigen Arbeitswelt 4.0 nicht mehr wegzudenken. Lea Mäder, Projektmanagerin beim Verlag SKV, sprach mit Prof. Dr. Alexander Hunziker über Positive Leadership:

  • 30. April 2020, 10:00
  • Entrepreneurship

Die Corona-Pandemie prägt die Schweiz. Hat sich in dieser Zeit etwas an den Führungsprinzipien geändert?

Was gute Führung grundsätzlich ist, bleibt natürlich unverändert. Das verordnete Homeoffice ist aber ein Offenbarungspunkt. Ich bin überzeugt, dass bei guten Führungskräften mit positiven Beziehungen die Leistung der Mitarbeitenden sogar noch gestiegen ist. Wohingegen sie dort wohl zurückgegangen ist, wo Führungskräfte eher unpersönlich oder mit Druck unterwegs sind.

Holokratie, agile Führung in Unternehmen und VUCA-Welt sind Schlagworte der Stunde. Werden damit Aufstiegsmöglichkeiten und Entwicklungschancen von Mitarbeitenden zunehmend eingegrenzt?

Ganz im Gegenteil, dadurch werden Entwicklungschancen eher gefördert. Wenn agile Teamarbeit gut läuft, kann man abwechslungsreicher und vielfältiger arbeiten, lernt viel von den Kolleginnen und Kollegen und wird eher seinen Stärken gemäss eingesetzt. Was allerdings die Aufstiegschancen anbelangt, sieht es etwas anders aus. Der Aufstieg bezieht sich ja auf die Position innerhalb der Hierarchie. Wenn diese in einem holokratischen System abgeschafft wird, muss der Begriff Aufstieg mit neuem Inhalt gefüllt werden. Wenn es darum geht, spannende, abwechslungsreiche und herausfordernde Aufgaben zu übernehmen, dann ist das sogar eher möglich. Wenn es darum geht, mehr Geld zu verdienen, dann ist diese Frage schwer zu beantworten, denn eine der Fragen, mit denen sich die Holokratie schwertut, ist die Entlöhnung. Wenn es hingegen darum geht, Macht auszuüben, dann ist es tatsächlich so, dass die Möglichkeiten dazu eingeschränkt werden.

Die (Arbeits-)Welt wird immer vernetzter, die Aufgaben komplexer. Nicht jeder bringt hierfür Eigenmotivation und entsprechende Skills mit. Wie können extrinsisch motivierte Mitarbeitende auf dem Weg in die Zukunft intrinsisch motiviert werden?

Sie sprechen zwei Dinge an. Es gibt Menschen, die in Bezug auf neu geforderte Fertigkeiten wenig lernfähig scheinen. Da gilt es sicher im Einzelfall anzuschauen, um welche Skills es sich handelt. Eine der oft erforderlichen Skills ist die Abgrenzung vom Geschäft und die Selbstfürsorge. Das erfordert eine ganz neue Arbeitshaltung. Hier gibt es aber achtsamkeitsbasierte Resilienz-Trainings, welche diese Skills im Allgemeinen sehr erfolgreich vermitteln.

Was die Motivation anbelangt, so greift es zu kurz, Menschen in intrinsisch und extrinsisch Motivierte zu unterscheiden. Die meisten sprechen auf beide Arten der Motivation an, wenn auch unterschiedlich stark. Menschen, denen vor allem die Höhe des Verdienstes wichtig ist und die sich nur anstrengen, wenn ein Bonus in Sichtweite ist, werden in agilen Unternehmen kaum glücklich und werden sich anderweitig einen Job suchen. Und auch wenn man heute weniger davon spricht: Diese Unternehmen oder Unternehmensteile werden nicht so rasch aussterben.

Erfolgsfaktor Mitarbeitermotivation: Welche 3 Tipps sind einer angehenden Führungskraft Ihrer Ansicht nach ans Herz zu legen?

Um erfolgreich zu führen, ist es enorm wichtig, die eigenen Stärken zu kennen und Erfahrungen gemacht zu haben mit dem Versuch, diese vermehrt einzusetzen und zur Geltung zu bringen. Wer das mitbringt, kann ein inspirierendes Vorbild sein. Zweitens ist es wichtig zu wissen, wovor man Angst hat. Ist es, eine Zielvorgabe zu verfehlen, dass einem die Mitarbeitenden nicht mögen, oder dass sie einem auf der Nase herumtanzen? Wer seine Ängste gut kennt, wird weniger von ihnen unbewusst gesteuert. Und drittens ist wichtig, dass sich selbst zu beobachten, wie man Beziehungen gestaltet: Agieren Sie als Freund, als Entwicklungshelfer, als Einsatzleiter oder als Experte? Hier geht es darum zu erkennen, welche Rolle jede einzelne Situation von Ihnen tatsächlich fordert, und zwar unabhängig davon, ob Ihnen eine Rolle liegt.     

Nach einer fundierten Ausbildung wandern junge Menschen nicht selten zum nächsten, vermeintlich attraktiveren Arbeitgeber ab. Versagen hier die gültigen Führungsprinzipien?

Tatsächlich ist es für junge Mitarbeitende wichtig, unterschiedliche Erfahrungen machen zu können. Führungsprinzipien sind hier nicht das Problem, aber sie können Teil der Lösung sein. Grosse Unternehmen haben die Möglichkeit, das Bedürfnis nach Vielfalt intern zu unterstützen. Kleinere Unternehmen haben dazu weniger Möglichkeiten. Aber einige bleiben stets mit den Ehemaligen in Kontakt. Sie rekrutieren sie ein paar Jahre später wieder und profitieren mit von der breiten Erfahrung dieser Personen. Das gelingt aber nur, wenn ein sehr gutes Unternehmensklima herrscht, und das geht nur mit guten Führungsprinzipien.

Ist der Mitarbeitende ebenso wie der CEO ein Markenbotschafter des Unternehmens?

So generell kann man das nicht sagen. Aber moderne KMU gehen teils dazu über, ihre Markenbotschafter aus den eigenen Mitarbeiterreihen zu rekrutieren. Das kann sehr wirksam sein, um bei der Kundschaft authentisch wahrgenommen zu werden. Es stimmt aber generell, dass für das Kundenerlebnis bei Dienstleistungen die Mitarbeitenden enorm wichtig sind. In einem Hotel etwa spüren die Gäste, ob es die Mitarbeitenden untereinander gut haben, auch wenn sie dem Hotelmanager hier persönlich begegnen. Wir können davon ausgehen, dass die Emotionalität von Begegnungen langfristig noch wichtiger wird. Jetzt, bei der Lockerung der Distanzregeln, wird das gerade besonders spürbar.

Alexander Hunziker

Alexander W. Hunziker, Dr. oec. publ., studierte Volkswirtschaftslehre mit Nebenfach Psychologie und promovierte in Betriebswirtschaft an der Universität Zürich. Er ist Professor an der Berner Fachhochschule und leitet einen EMBA-Studiengang.