Digitale Kompetenz

Digitale Kompetenz? - Das weiss doch jeder. Das ist wenn man sich mit dem Computer auskennt, mit dem Internet und sozialen Medien. - Das ist zwar eine recht treffende Antwort, aber unter gebildeten Leuten formuliert man das anders, eher so:  Die Fähigkeit, Inhalte zu finden, einzuschätzen, zu nutzen, zu teilen und zu erzeugen unter Einsatz von Informationstechnologie und dem Internet. Ist damit viel gewonnen? – Was konkret muss man denn lernen und üben, um die immer wichtiger werdenden digitalen Fertigkeiten zu erwerben? Excel und Word, Facebook und LinkedIn, Instagram und Snapchat, WhatsApp und Skype? Oder doch eher GoogleDocs und SkyDrive, Teams und Notes, Ebay and Alibaba, Sway und Prezi? Oder vielleicht gar nichts von alledem?

  • 14. Februar 2020, 10:00
  • Beruf und Bildung

Die obige Definition liefert uns kaum eine Antwort. Kann man die genannten Tools nutzen, um Inhalte zu finden, einzuschätzen, zu nutzen, zu teilen und zu erzeugen? Natürlich. Der schwierigste Punkt ist wohl das «Einschätzen» von Inhalten. Mit dieser Formulierung wird betont, dass man nicht alles glauben sollte, was man so liest im Internet. Aber das wussten wir natürlich schon – und dann fallen wir trotzdem rein. In einer Studie wurde festgestellt, dass junge Menschen es für glaubwürdig halten, dass schwule Männer eher pädophil sind, wenn sie bei einer Internetrecherche auf eine Homepage stossen, die professionell aufgemacht ist und solches behauptet. Fröhlich ignoriert haben sie, dass es sich um eine Homepage einer Organisation von Schwulenhassern handelt und dass im Internet ebenfalls zugängliche wissenschaftliche Studien belegen, dass es diesen Zusammenhang nicht gibt. Was ihnen der gesunde Menschenverstand dazu hätte sagen müssen, darauf will ich hier gar nicht eintreten. Die betreffenden jungen Menschen waren übrigens durchaus nicht bildungsfern, sondern Studierende an einer respektablen amerikanischen Universität. Digital Natives sind also nicht automatisch digital kompetent und kritisch denken zu können allein genügt nicht. Ein wesentlicher Aspekt digitaler Kompetenz könnte es folglich sein, Strategien zu kennen und anzuwenden, die es unwahrscheinlich machen, dass man auf falsche Informationen hereinfällt. Folgende zum Beispiel:

  1. Wenn Sie auf eine Homepage einer Organisation stossen, die Sie nicht kennen, verlassen Sie diese sofort wieder – denn zuverlässige Quellen sind nur einen Mausklick entfernt. Klicken Sie daher die Google-Suchresultaten nicht der Reihe nach durch, sondern schauen Sie sich immer erst die URL an. Der Anfang der URL verrät Ihnen, um welche Organisation es sich handelt, etwa www.nzz.ch/… . Klicken Sie nur auf das, was Sie kennen.
     
  2. Sollten Sie trotzdem auf einer unbekannten Homepage verweilen wollen, googeln Sie die Organisation. Und: Nein, die Selbstdeklaration der Homepage, die Sie beim Button «über» oder «about» finden, ist kein zuverlässiger Ersatz für diese Strategie. Die Abfrage bei einem Whois-Dienst liefert Ihnen übrigens die Information, wem eine Website gehört. (Falls Sie nicht wissen, was «Whois» bedeutet und wie man einen solchen Dienst beansprucht, können Sie das gefahrlos googeln.)
     
  3. Variieren Sie Ihre Suchbegriffe. Wenn Sie daran zweifeln, dass die erste Mondlandung tatsächlich stattgefunden hat, sollten Sie nicht einfach nur «moon landing fake» googeln. «Moon landing proof» wäre eine zwingende Ergänzung für eine ausgewogene Recherche. Das scheint banal, aber wir Menschen bevorzugen unbewusst Informationen, die unsere Vorurteile bestätigen. Und wir glauben nur zu gern, dass bloss die anderen auf Fake-News hereinfallen. Es ist daher essentiell, sich durch ein systematisches Vorgehen gegen entsprechende Verzerrungen zu wappnen.

Kann man solche Recherche-Strategien googeln? – Klar kann man. Fraglich ist aber eben, ob man beim Googeln auf nur scheinbar schlaue Tipps hereinfällt und viel Zeit verliert. Vielleicht sollte die Digitale Kompetenz auch das Gespür dafür beinhalten, wann man doch lieber ein Buch konsultieren sollte - meinetwegen ein digitales, im ePub-Format.

Alexander Hunziker

Alexander W. Hunziker, Dr. oec. publ., studierte Volkswirtschaftslehre mit Nebenfach Psychologie und promovierte in Betriebswirtschaft an der Universität Zürich. Er ist Professor an der Berner Fachhochschule und leitet einen EMBA-Studiengang.