Wenn wir von einer romantischen Vorstellung von Lernen ausgehen, dann wären alle unsere Lernenden intrinsisch motiviert, da sie für sich selbst lernen, um auf dem Weg der persönlichen und professionellen Entwicklung einen Schritt weiter zu kommen. Wenn wir die Lernenden mit dem nötigen Gestaltungsspielraum bei ihrem Lernen ausstatten (und ihnen mit Deci/Ryan «Autonomy» gewähren), sie die Sinnhaftigkeit ihres Lernens erkennen lassen (den «Purpose») und sie ihre Lernentwicklung auch als Professionalitätsentwicklung erkennen und rückgemeldet erhalten (sie «Mastery» erlangen lassen), dann sind die Grundlagen vorhanden, damit wirkliche Motivation für das persönliche Lernen gelebt wird.
Als unverbesserliche Romantikerin möchte ich natürlich die Möglichkeiten des Fernlernens ausschöpfen, in der Hoffnung, dass die Lernenden für sich das intrinsisch motivierte Lernen entdecken. Dass es in den meisten Fällen keine summativen Lernzielkontrollen gibt, beschleunigt die Tendenz, dass neue Formen der Dokumentation von Lernentwicklungen ausprobiert werden. Vielleicht wird damit sogar eine Trendwende eingeläutet – und Prüfungen werden abgeschafft, um zeitgemässes Lernen zu ermöglichen.
Es braucht also neue Formen von Rückmeldungen, und es braucht diese für beide Seiten. Als Lehrperson möchte ich wissen, wo meine Lernenden stehen. Als Lernender muss ich erfahren, wie meine Kompetenzentwicklung von aussen gesehen eingeschätzt wird. Hilfreich ist, wenn Lernende ihren Arbeitsprozess transparent machen und ihre Entwicklung in erarbeiteten Produkten aufzeigen können, z. B. in der Form eines Berichts, einer Recherche-Dokumentation, einem Plakat oder einer Präsentation. Es braucht aber nicht immer die Rückmeldung einer Lehrperson zu sein. Peerfeedback, also das Feedback von anderen Lernenden, kann ebenfalls sehr wertvoll sein. Es bietet sowohl für Feedbackgebende als auch Feedbacknehmende einen interessanten Lernweg, um sich mit Inhalten kritisch auseinander zu setzen.
Eine andere Möglichkeit, um Kompetenzentwicklungen festzuhalten, bieten Rubrics. Sie sind eine Form von Kompetenzraster, welche die Stufen der Kompetenzentwicklung beschreiben. Meistens ist es eine gerade Zahl an Stufen, welche die Entwicklung aufzeigen. Dazu wird pro Kompetenz beschrieben, woran zu erkennen ist, dass diese erreicht, gut, sehr gut oder exzellent erreicht wurde. Eine Meta-Ebene wird erreicht, wenn die Lernenden beim Festlegen der Kriterien der einzelnen Stufen miteinbezogen werden.
Romantische Motivationsvorstellungen zum Lernen der Lernenden sind das eine, Lehrpersonen, die ihren Unterricht nicht mehr an der Beurteilung ausrichten müssen, das andere. Am Ende geht es doch aber einfach darum, dass die Lernenden auf die Herausforderungen der Zukunft bestmöglich vorbereitet werden, damit sie sich in unbekannten Situationen zurechtfinden. Situationen wie die, in der wir uns aktuell befinden – ganz allgemein, aber auch, was den Unterricht anbelangt. Alle Beteiligten zeigen, dass sie agil darauf reagieren können. Feedback geben wir aber zu Situationen, die eigentlich schon vorbei sind, um damit für Zukünftiges gewappnet zu sein, was unbekannterweise kommen wird. Feedforward wäre vielleicht eine ganz neue Antwort, um Lernende und Lehrpersonen im Umgang mit dem unbekannten Zukünftigen zu unterstützen. Damit verbunden sind Fragen wie: Welches sind meine Ziele? Wie gehe ich diese an und was mache ich als nächstes, um diese zu erreichen? Dazu kann ich mir als Lernender von Lehrpersonen, Peers oder aber auch Fachpersonen Rat holen. Und damit sind wir weit von Prüfungen entfernt, welche retroperspektiv die Leistung der Lernenden bewerten (und somit auch die Zeugnisse am Ende einer Leistungsperiode). Vielleicht erhält Feedforward durch Fernlernen in Corona-Zeiten eine neue Bedeutung: als unterstützende Massnahme für die persönliche Kompetenzentwicklung.