Rolf Dubs, Dr. Dres. h.c., em. Professor für Wirtschaftspädagogik, war Rektor der Universität St.Gallen und Direktor des Instituts für Wirtschaftspädagogik. Als Lehrperson, Dozent, Didaktiker und Berater hat er die Schweizer Bildungslandschaft mit zahlreichen Publikationen in den Bereichen Lehrplan, Unterricht, Lehrerverhalten und Schulführung sowie mit Lehrbüchern für den Wirtschaftsunterricht entscheidend geprägt.
- 7. Mai 2021, 10:00
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Beruf und Bildung
1 «Unsere Schule wird voll digitalisiert: Alle Lehrpersonen haben sich darauf auszurichten.»
Vorsicht: Viele Untersuchungen zeigen übereinstimmend, dass das Lernen aus gedruckten Lehrbüchern wirksamer ist als das digitale Lernen. Deshalb bleibt das papierene Lehrbuch weiterhin wichtig. Digital können aber ergänzende Arbeitsblätter, Aufgabensammlungen, Tests usw. sinnvoll sein. Wichtig ist jedoch, dass Lehrkräfte bei ihren Entscheidungen frei bleiben.
Folglich: Lehrbücher bleiben trotz Digitalisierung für das Lernen wertvoll.
2 «Frontalunterricht beginnt sich durch die Digitalisierung und das selbstständige Lernen zu erübrigen.»
Vorsicht: Drei Aspekte weisen auf die weitere Bedeutung des dialogischen Frontalunterrichts hin: Erstens ist das selbstständige Lernen sehr zeitaufwändig, so dass angesichts des zunehmenden Wissens darauf nicht verzichtet werden kann. Zweitens bedarf das selbstständige Lernen einer guten Anleitung, welche mit einem Frontalunterricht nachhaltiger sichergestellt wird. Und drittens lässt sich mit einem dialogischen Frontalunterricht das strukturierte Lernen und das vernetzte Grundlagenwissen, das für das selbstgesteuerte Lernen immer wieder eine Voraussetzung ist, leichter bereitstellen.
Folglich: Mit einem dialogischen Frontalunterricht lassen sich bessere Voraussetzungen für das selbstständige Lernen schaffen. Und seit langem belegt die Forschung, dass ein guter dialogischer Frontalunterricht generell und vor allem für Lernende aus unteren sozialen Schichten lernwirksam ist.
3 «Wissenserarbeitung wird im Unterricht immer unwichtiger, weil sich Wissen immer schneller verändert und über Medien leicht abrufbar ist.»
Vorsicht: Wissen ist eine Voraussetzung für ein auf Verstehen ausgerichtetes Lernen und damit für die Problemlösung.
Folglich: Der Umgang mit Wissen ist wesentlich. Wer nichts weiss, versteht Begriffe und Zusammenhänge nicht. Es muss aber gut strukturiertes und anwendbares Wissen und nicht nur abrufbares Faktenwissen sein.
4 «Lehrpläne sind auf Kompetenzen und nicht auf Wissen auszurichten.»
Vorsicht: Kompetenzen sind zu einem Schlagwort mit unterschiedlichen Bedeutungen geworden. Oft handelt es sich um idealistische Vorstellungen, die im Unterricht kaum umsetzbar sind, so z. B. «Die Lernenden können mit ihrer Zeit effektiv umgehen».
Folglich: Kompetenzen sollten wieder auf ihr ursprüngliches Verständnis zurückgeführt werden: Sie sollen dazu dienen, die einseitige Wissensvermittlung zu überwinden, das Lernen ganzheitlich zu gestalten und im täglichen Unterricht als umsetzbare Zielvorgaben für ein vielgestaltiges Lernen verwendet werden. Deshalb sollten Lehrpläne kompetenzorientierte Lernziele vorgeben.
5 «Hausaufgaben sind nicht lernwirksam. Deshalb sind sie überflüssig.»
Vorsicht: Die Forschung zeigt, dass sinnvolle Hausaufgaben lernwirksam sind, wenn sie auf den Unterricht abgestimmt sind und im Unterricht ausgewertet werden.
Folglich: Hausaufgaben wirken sich auf das Lernen positiv aus und stärken die Eigenverantwortung der Lernenden sowie die Fähigkeit zum selbstständigen Planen der eigenen Arbeit.
Was ist Ihre Meinung zu diesen fünf Aussagen, liebe Leserinnen und Leser? Berichten Sie uns von Ihren Erfahrungen und Erkenntnissen.
Treten Sie mit uns in einen offenen Dialog oder schreiben Sie mir persönlich.
Ich freue mich auf Ihre Stellungnahme.
Ihre Lea Mäder